Eltern bleiben Eltern -
Hilfen für Kinder bei Trennung und Scheidung
(Unter Berücksichtigung der am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen  Reform des Kindschaftsrechts)
 

Zum Herausgeber

INHALT

Vorwort zur 7. Auflage        3

Zum Inhalt        4

· Sie gehen als Paar auseinander – aber Sie werden Ihr Leben lang Eltern bleiben  5
· Mit den Kindern darüber sprechen        6
· Wie Kinder auf die Trennung ihrer Eltern reagieren     8
· Was die Reaktionen der Kinder bedeuten       11
· Wenn Kinder für einen Elternteil Partei ergreifen     12
· Zwischen Verwöhnung und Überforderung      14
· Was Sie über die juristischen Regelungen wissen müssen   16
· Elterliche Verantwortung nach Trennung oder Scheidung   19
· Die gemeinsame elterliche Sorge      22
· Die alleinige elterliche Sorge      25
· Der Umgang mit dem Kind      28
· Neue Partner      36
· Beratung und Hilfe      38
· Zu den Autoren      40

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Vorwort zur 7. Auflage

Die vorliegende Broschüre erschien erstmals im Jahre 1989. Sie entstand aus der Arbeit des Modellprojekts "Rückkehr zur Gemeinsamkeit" der DAJEB mit seiner Beratungsstelle "Familiennotruf München", das sich mit Hilfen zur Konfliktbewältigung für Eltern und Kinder in Trennungs- und Scheidungssituationen befaßte.

Seit 1989 erschien die Broschüre in sechs Auflagen mit über 900.000 Exemplaren.
Aufgrund der Reform des. Kindschaftsrechts, die am 1. Juli 1998 in Kraft trat, mußten einzelne Kapitel der Broschüre überarbeitet werden.

Unserer besonderer Dank gilt den Autorinnen und Autoren, denen es gelungen ist, die Neuregelungen aufgrund der Reform des Kindschaftsrechts für die Leserinnen und Leser verständlich darzustellen.

Wir hoffen, daß auch die Broschüre in ihrer 7. Auflage eine brauchbare Hilfe für betroffene Eltern bei Trennung und Scheidung ist, um Einsichten zu vermitteln und vor allem für die betroffenen Kinder und Jugendlichen Entlastung zu ermöglichen.
 

Für den Vorstand des DAJEB:

Ulrich Kruse
Dr. Florian Moeser-Jantke
Dr. Traugott U. Schall

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Zum Inhalt

Sie halten eine Broschüre in den Händen, in der es hauptsächlich darum geht, wie Kinder eine Trennung oder Scheidung ihrer Eltern erleben, und was Sie als Eltern tun können, um den Kindern soweit als möglich zu helfen.

Dabei kann es sein, daß spezielle Probleme, die gerade in Ihrer Familie eine große Rolle spielen, nur kurz oder gar nicht angesprochen werden. Unsere Absicht war es, ohne Anspruch auf Vollständigkeit häufig wiederkehrende Fragen darzustellen, und zwar aus der Sicht der Kinder und ihrer Ansprüche und Bedürfnisse.

Vielleicht finden Sie, daß Ihre eigenen Probleme und Konflikte, die Sie als Erwachsener mit der Trennung haben, zu wenig zur Sprache kommen. Es ist verständlich, wenn diese Fragen für Sie im Vordergrund stehen und wenn es Ihnen deshalb schwerfällt, sich auf die Kinder einzustellen.

Möglicherweise gewinnen Sie beim Lesen den Eindruck, als gehe es hier um die idealen Eltern, die alles richtig machen sollen, während Sie selbst sich eher unsicher und überfordert fühlen.

Lassen Sie sich nicht entmutigen. Betrachten Sie die Anregungen in dieser Broschüre als Angebot, allein oder mit Hilfe einer der zahlreichen Beratungsstellen über Ihre Familiensituation nachzudenken und eigene Lösungen für Ihre Probleme zu finden.

Die Trennung mit ihren unterschiedlichen Folgen für alle Beteiligten ist nicht nur ein plötzlicher Einschnitt im Leben der Familie, sondern ein langer Weg zu einer veränderten Familie, ein Ziel, das Sie mit vielen kleinen Schritten (und Rückschritten) ansteuern können. Was Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt verwirrend und unlösbar erscheint, kann sich für Sie und die Kinder als neuer Anfang herausstellen.

Die Verfasser
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Sie gehen als Paar auseinander aber Sie werden Ihr Leben lang Eltern bleiben

Die wichtigste Hilfe, die Sie Ihrem Kind in der Trennungssituation und danach bieten können, besteht darin, als Vater und Mutter weiterhin verfügbar zu bleiben, und zwar unabhängig von der Sorgerechts- und Umgangsregelung.

Ihr Kind hat ein Recht auf beide Eltern, und es braucht beide; tun Sie alles, was in Ihren Kräften liegt, daß Ihr Kind Sie beide als Eltern behalten kann  auch nach Ihrer Trennung als Paar.

Es wird für Sie oft schwer sein, trotz der Kränkungen, die Sie durch Ihren Partner erfahren haben, gerade diesen Partner weiterhin als den anderen Elternteil Ihres Kindes anzuerkennen und mit ihm zusammenzuarbeiten.

Fest steht aber, daß Kinder dann am ehesten eine Trennung verkraften können, wenn diese Zusammenarbeit gelingt und beide Eltern weiterhin an der Betreuung und Erziehung beteiligt sind.

Vielleicht denken Sie, daß eine solche Zusammenarbeit in Ihrem Fall unmöglich sein wird. So geht es vielen Eltern in der schwierigsten Zeit ihrer Trennung. Es ist aber wahrscheinlich, daß die Konflikte mit Ihrem Partner im Laufe der Zeit an Heftigkeit verlieren und es wieder leichter wird, sachlich miteinander zu reden, wenn es um Ihr Kind geht.

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Mit den Kindern darüber sprechen

Die Auflösung Ihrer Partnerschaft ist auch für Ihre Kinder ein einschneidendes Erlebnis. Sagen Sie beide Ihren Kindern, daß Sie sich trennen werden. Versuchen Sie, so deutlich wie möglich zu sein, ohne den anderen Elternteil zu beschuldigen. Mit welchen Worten Sie das tun, hängt auch vom Alter der Kinder ab.

Viele Eltern meinen, daß Sie kleinen Kindern noch keine Erklärungen geben müssen, weil sie die Zusammenhänge ohnehin noch nicht begreifen können. Es hat sich aber gezeigt, daß gerade Kinder, denen Erklärungen vorenthalten werden, besonders heftig auf die Trennung reagieren.

Ihre Kinder haben die wachsende Spannung und die Auseinandersetzungen zwischen Ihnen längst mitbekommen, meist ohne sie begreifen und einordnen zu können. Sie haben ein Recht darauf, daß beide Eltern ihnen gegenüber die Dinge beim Namen nennen.

Es kommt dabei nicht darauf an, daß Kinder alle Zusammenhänge, die zur Trennung geführt haben, erfassen können, sondern daß sie darüber mit beiden Eltern im Kontakt bleiben und von beiden jeweils soviel erfahren und erfragen können, wie es ihrem Alter und ihrer Situation entspricht. Erklären Sie Ihrem Kind, was in Zukunft anders sein wird und wie die Regelungen aussehen, die Sie vereinbart haben.

Erzählen Sie Ihren Kindern aber auch, was sich nicht verändern wird, wie z. B. das eigene Zimmer, der Kindergarten oder die Besuche bei den Großeltern. Dazu gehört auch, daß die Kinder selbst Stellung nehmen können und sagen können, wie ihnen zwischen den streitenden Eltern zumute ist, was sie befürchten und was sie sich wünschen.

Dies alles kann natürlich nicht in einem einmaligen Gespräch geschehen, sondern ist immer wieder von neuem notwendig. Auch werden sich mit jeder neuen

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Entwicklungsstufe des Kindes die Fragen verändern. Wenn Sie mehrere Kinder haben, werden Sie sehr deutlich merken, daß beim Sprechen über dasselbe Thema ganz unterschiedliche Schwerpunkte eine Rolle spielen.

All diese Gespräche werden oft schwer für Sie sein, besonders dann, wenn Sie selbst die Trennung noch nicht verkraftet haben und viele drängende Fragen der Umgestaltung Ihres Alltags zu lösen sind. Möglicherweise sind Sie auch voller Zorn auf den Partner, wenn dieser in Ihren Augen all dies ins Rollen gebracht hat. In jedem Fall ist es schwer, die Trauer und den Zorn Ihrer Kinder über das Auseinandergehen der Eltern zu spüren und auszuhalten und sich mitschuldig daran zu fühlen. Wenn es Ihnen beiden als Eltern aber gelingt, trotz der eigenen verletzten Gefühle Ihren Kindern immer wieder Fragen und Stellungnahmen zum Thema Trennung zu ermöglichen, dann geben Sie ihnen eine wichtige Hilfe bei der Bewältigung dieser großen Veränderung.
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Wie Kinder auf die Trennung ihrer Eltern reagieren

Trennung oder Scheidung sind zunächst Ausdruck von Erwachsenenkonflikten, in die Kinder unfreiwillig hineingezogen und verwickelt werden. Je jünger ein Kind ist, desto begrenzter sind sein Erfahrungsschatz und seine Erlebniswelt. Seine Familie, mit all den Mängeln, die Sie als Erwachsener wahrnehmen, ist die einzige, die es sich vorstellen kann, und sie birgt neben allem Unerfreulichen für das Kind auch viel Gutes.

Jedes Kind ist anders, und jede Familie, die eine Trennung bewältigen muß, unterscheidet sich von anderen Familien. Ihr Kind wird also seinen besonderen Lebensbedingungen entsprechend reagieren.

Jungen zeigen häufig deutlichere Verhaltensveränderungen als Mädchen, die oft sehr "vernünftig" wirken. Da solches Verhalten von der Umwelt nicht als störend empfunden wird, wird leicht übersehen, daß Jungen und Mädchen gleichermaßen unter der Trennung ihrer Eltern leiden  sie zeigen es eben nur anders.

Trotz aller individuellen Unterschiede gibt es jedoch alterstypische Reaktionen, die bei fast allen Kindern zu beobachten sind:
Sehr kleine Kinder reagieren häufig mit Angstzuständen und Schlafstörungen. Sie wirken irritiert und sind häufig sehr aggressiv. Meist zeigen sie Rückschritte in ihrer Entwicklung. So kann es z. 8. sein, daß sie wieder einnässen, obwohl sie schon längere Zeit trocken waren.

Ganz ähnlich zeigen auch Kinder im Kindergartenalter ihren Kummer. Empfindungen des Verlassenseins und der Trauer werden aber deutlicher wahrnehmbar. Ihr Verlangen nach dem Vater oder der Mutter geben sie offen zu verstehen. Da sich Kinder dieses Alters noch als Mittelpunkt ihrer Welt erleben,
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kommt es oft vor, daß sie die Schuld für das Weggehen von Vater oder Mutter bei sich selbst suchen.

Mit dem Schulalter fangen Kinder an, die Trennung der Eltern besser zu verstehen  aber Verstehen und Fühlen sind zweierlei. Die Trennung macht die Kinder traurig, hilflos und zornig. Manche schämen sich auch vor ihren Freunden, Klassenkameraden, Lehrern und Nachbarn. Es ist nicht verwunderlich, wenn unter diesen Umständen die Leistungen in der Schule nachlassen oder wenn die Kinder auffällig reagieren.

Die etwas älteren Kinder machen sich oft auch große Sorgen um beide Eltern und übernehmen bereitwillig Verantwortung, für die sie eigentlich zu jung sind. Sie kümmern sich um den Haushalt oder die jüngeren Geschwister, aber auch um das Wohlergehen der Erwachsenen. Das Verhalten dieser Kinder wird kaum als auffällig wahrgenommen. Es besteht jedoch die Gefahr, daß dadurch die Kontakte zu Gleichaltrigen und die eigenen Interessen zu kurz kommen.

Jugendliche im Teenageralter verunsichern ihre Umgebung nicht selten durch widersprüchlich erscheinende Reaktionen und Handlungen. Die älteren sind zwar bereits in der Lage, die Probleme in der Beziehung ihrer Eltern nachzuvollziehen und gehen oft schon nach kurzer Zeit einfühlsam auf die Schwierigkeiten ihrer Eltern ein, indem sie sich zum Beispiel aktiv an der Lösung praktischer Probleme beteiligen. Andererseits reagieren sie häufig mit überraschender Heftigkeit, in der die Enttäuschung über den Verlust der intakten Familie immer wieder spürbar wird.

In diesem Alter beginnen sich die Kinder von ihrer Familie zu lösen. Das Erleben der Elterntrennung kann dazu führen, daß diese Ablösung nicht gelingt, weil die Jugendlichen in die Familienprobleme verwickelt bleiben. Es kann aber auch passieren, daß sich Jugendliche sehr abrupt und damit auch konfliktreich von ihrer Familie zu lösen versuchen. Viele

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Jugendliche, die eine Trennung oder Scheidung ihrer Eltern erlebt haben, gaben an, daß sie schneller erwachsen werden mußten, als sie eigentlich wollten.

Als betroffene Eltern befinden Sie sich in einer doppelt schwierigen Lage: Die Auseinandersetzung mit Ihren eigenen Problemen kostet Sie viel Kraft, und Sie haben  mit großer Wahrscheinlichkeit  ein "schwieriges" Kind.

Versuchen Sie ab und zu, sich in seine Lage hineinzuversetzen und die Situation mit seinen Augen zu sehen. Sie werden dann leichter verstehen, warum es Ihre Aufmerksamkeit und Zuwendung jetzt ganz besonders braucht.
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Was die Reaktionen der Kinder bedeuten

Die meisten Eltern macht das "Problemverhalten" ihres Kindes hilflos. Es verstärkt ihre Schuldgefühle und die Angst vor lang anhaltenden Entwicklungsschäden. Die Reaktionen der Kinder sind aber nicht unbedingt Störungen, sondern zunächst einmal Ausdruck des Bemühens, mit der veränderten Situation fertig zu werden, Verluste zu überwinden und eine aus den Fugen geratene Welt wieder zu ordnen. Diese auffälligen Verhaltensweisen verschwinden in der Regel bis zum zweiten Jahr nach der Trennung.

Veränderungen und Auffälligkeiten im Verhalten von Kindern nach einer Trennung der Eltern können also in gewissem Sinne als normal bezeichnet werden, nämlich als "normale" Reaktion auf eine "schwierige" Situation. Dennoch sind sie deutliche Signale kindlicher Bedürfnisse, denen die Regelungen nach der Trennung so weit als möglich gerecht werden sollten.

Wie Kinder langfristig mit der Trennung oder Scheidung fertig werden und wie diese ihre Entwicklung beeinflußt, hängt weniger von der Tatsache der Trennung selber ab, als von den Bedingungen davor und danach. Versuchen Sie, Ihrem Kind durch Lösungen zu helfen, die seinen Bedürfnissen gerecht werden.

Diese Broschüre möchte dazu einige Denkanstöße geben und Sie ermutigen, Rat und Hilfe zu suchen, wenn Ihnen eine solche Lösung zu schwierig oder nicht erreichbar erscheint.
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Wenn Kinder für einen Elternteil Partei ergreifen

Ein Kind zwischen Vater und Mutter, die versuchen, es gegen den anderen für sich zu gewinnen, gerät in jedem Fall in eine ausweglose Situation: egal, für wen es sich entscheidet, es wird sich gleichzeitig gegen den anderen entscheiden müssen.

Sie wissen sicher, daß Sie Ihr Kind auf keinen Fall ermutigen oder gar zwingen sollten, gegen den anderen Elternteil Partei zu ergreifen.

Aber es passiert so leicht, daß Sie das Kind auf Ihre Seite ziehen. Sie sagen zum Beispiel "Dein Vater (Deine Mutter) hat uns verlassen", obgleich Sie wissen, daß der andere das Zusammenleben mit Ihnen und nicht das mit dem Kind ablehnt. Übernimmt Ihr Kind Ihre negative Einstellung zum anderen Elternteil, so gerät es in heftige Konflikte: Es muß seine Liebe, aber auch alle seine Eigenheiten und Wesenszüge, mit denen es sich mit dem anderen Elternteil verwandt oder ähnlich fühlt, "vergessen"; es muß so tun, als ob sie nicht vorhanden wären. Wenn diese Konflikte länger anhalten, werden Störungen in der Entwicklung sehr wahrscheinlich die Folge sein.

Darüber hinaus kann es während der Ablösung und Neuorientierung in der Pubertät dazu kommen, daß Ihr Kind nun Sie ablehnt und für den anderen Elternteil Partei ergreift, weil es an dem Bild, das Sie von dem anderen vermittelt haben, zu zweifeln beginnt.

Aber auch, wenn Sie selbst sich bemühen, nichts gegen den anderen E1ternteil zu sagen, werden Sie vielleicht die Erfahrung machen, daß Ihr Kind sich mit Worten oder in seinem Verhalten auf Ihre Seite stellt. Wahrscheinlich wird es das ebenso beim anderen Elternteil tun. Es geschieht zum Beispiel häufig, daß die Kinder jedem der Eltern erklären, sie würden am liebsten bei ihm wohnen und den anderen gar nicht oder nicht so oft besuchen wollen. Dies ist aber, vor allem bei jüngeren Kindern, kein "Ausspielen"
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der Eltern gegeneinander oder Lügen. Es kommt vielmehr daher, daß Ihr Kind sehr sensibel spürt, was Sie als Eltern sich unausgesprochen wünschen. Es macht den Versuch, jedem von Ihnen  und damit sich selbst  zu helfen, indem es sich auf die Seite desjenigen stellt, mit dem es gerade zusammen ist. Aber das Kind kann es nicht beiden Seiten recht machen, ohne in ständige Konflikte zu geraten. Es braucht vielmehr die Gewißheit, beide Eltern lieben zu dürfen. Zeigen Sie ihm, daß es in Ordnung ist, wenn es auch den anderen Elternteil braucht und vermißt.
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Zwischen Verwöhnung und Überforderung

Vielleicht fühlen Sie als Eltern sich Ihrem Kind gegenüber schuldig, weil Sie ihm keine "heile Familie" mehr bieten können.

Viele Eltern gehen mit diesen Schuldgefühlen so um, daß sie versuchen, das Kind an anderer Stelle für das zu entschädigen, was es entbehren muß. Etwa, indem sie es verwöhnen oder indem sie ihm Schwierigkeiten aus dem Wege räumen, die sie ihm sonst zugemutet hätten, kurz: indem sie ein Schonklima schaffen, um dem Kind die Begegnung mit der "rauhen Wirklichkeit" zu erleichtern.

Diese Haltung ist verständlich. Sie kann aber, wenn sie länger beibehalten wird, dazu führen, daß das Kind eine bleibende Anspruchshaltung entwickelt und glaubt, allein seine Eltern seien zuständig dafür, daß seine Schwierigkeiten bewältigt werden. Eine weitere Folge kann sein, daß das Kind versucht, die Eltern, denen es aufgrund ihrer Schuldgefühle schwerfällt, klare Forderungen zu stellen, gegeneinander auszuspielen.

Sie helfen Ihrem Kind, wenn Sie es mit der neuen Realität (zum Beispiel einer verschlechterten finanziellen Lage durch zwei getrennte Haushalte) vertraut machen und auch seine altersgemäße Mithilfe einfordern. Ganz abgesehen davon, daß dies für Sie jetzt dringend notwendige Kräfte spart: Ihr Kind wird spüren, daß es selbst etwas bewirken kann und nicht nur passiv die Trennung der Eltern erleiden muß.

Es gibt aber eine Gefahr dabei: Viele Kinder übernehmen mehr, als sie eigentlich tragen können. Sie spüren die Probleme der Eltern, die die Trennung erst verkraften müssen, und werden zum Helfer, manchmal sogar zum Partnerersatz. Zu früh für ihr Alter und ihre Kräfte teilen sie die Sorgen und die Alltagsverpflichtungen ihrer Eltern, zu früh hören sie auf, Kind zu sein.
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Zwischen den Gefahren der Verwöhnung und der Überforderung hindurchzusteuern, ist sicher keine leichte erzieherische Aufgabe. Am besten für Ihr Kind ist es, wenn es möglichst bald all das wieder tun kann, was Kinder in diesem Alter normalerweise tun und wenn möglichst viele von seinen sonstigen Beziehungen in der Verwandtschaft und zu seinen Freunden erhalten bleiben.
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Was Sie über die juristischen Regelungen wissen müssen

Zum 1.7.1998 sind im Familienrecht zahlreiche Änderungen eingetreten, die auch die Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern betreffen. Sie hängen vor allem damit zusammen, daß dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern eine größere Bedeutung eingeräumt wird und daß eheliche und nichteheliche Kinder gleich behandelt werden.

Bis zum 1.7.1998 wurde bei Scheidungen in jedem Fall vom Familiengericht darüber entschieden, welcher Elternteil das Sorgerecht ausüben soll bzw. ob es weiterhin beiden Eltern gemeinsam zusteht.

Seit dem 1.7.1998 wird der Fortbestand der gemeinsamen Sorge im Rahmen eines Scheidungsverfahrens nicht mehr einer zwingenden gerichtlichen Prüfung unterzogen. Auch nach einer Trennung sollen beide Eltern den Kindern soweit wie möglich erhalten bleiben.

Für Sie als Eltern hat das folgende Konsequenzen:
Wenn Sie sich bei einer Trennung oder Scheidung über ein gemeinsames Sorgerecht und über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes einig sind, bedarf es keiner richterlichen Entscheidung mehr. Im Fall der Scheidung müssen Sie lediglich dem Familiengericht eine übereinstimmende Erklärung abgeben, daß Sie keine Anträge zum Sorgerecht und zum persönlichen Umgang mit dem Kind stellen wollen. Auch in diesem Fall wird Sie das Gericht jedoch im Scheidungstermin anhören und Sie ggf. auf Angebote der Trennungs und Scheidungsberatung hinweisen. Außerdem wird Sie das Jugendamt unmittelbar nachdem der Scheidungsantrag beim Familiengericht eingegangen ist, über das örtliche Beratungsangebot informieren.

Wenn Sie sich auf Dauer getrennt haben oder geschieden sind, ändert sich allerdings die Ausgestaltung der gemeinsamen Sorge: Sie müssen sich dann

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nicht mehr über alle Angelegenheiten einigen, die Ihr Kind betreffen. Vielmehr kann derjenige von Ihnen, bei dem sich das Kind 'mit Einwilligung des anderen Elternteils oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung aufhält, alle Angelegenheiten des täglichen Lebens Ihres Kindes alleine regeln und das Kind insoweit auch allein vertreten. Entscheidungen von erheblicher Bedeutung sind hingegen im gegenseitigen Einvernehmen zu treffen. Dazu gehört zum Beispiel die Wahl der Ausbildung oder eine Operation. In Notfällen kann natürlich jeder von Ihnen Entscheidungen treffen, die keinen Aufschub dulden.

Bei Trennung oder Scheidung kann aber auch einer von Ihnen beim Familiengericht beantragen, daß ihm das Sorgerecht oder ein Teil davon allein übertragen werden soll.

Stimmt der andere Elternteil zu, so wird das Gericht dem Antrag in der Regel stattgeben, es sei denn, ein über vierzehn Jahre altes Kind würde widersprechen.

Ist der andere Elternteil jedoch nicht einverstanden oder beansprucht er selber die alleinige elterliche Sorge, so prüft das Familiengericht, welche Regelung dem Wohle des Kindes am besten entspricht. Dabei hört es auch die Kinder persönlich an. Kinder über vierzehn Jahren haben ein besonderes Mitspracherecht.

Unter der Voraussetzung, daß es dem Kindeswohl entspricht, ist das Familiengericht gehalten, den Eingriff in das gemeinsame Sorgerecht so gering wie möglich zu halten. So kann es sich auch in streitigen Fällen darauf beschränken, nur einen Teil des Sorgerechts einem Elternteil allein zu übertragen, zum Beispiel die Entscheidung über den Aufenthalt, über die medizinische Versorgung des Kindes oder über schulische Angelegenheiten. In allen übrigen Bereichen bleibt es dann bei der gemeinsamen elterlichen Sorge.

Auch wenn Sie nicht verheiratet sind, können Sie seit dem 1.7.1998 das Sorgerecht für ihr Kind gemeinsam ausüben.
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Voraussetzung ist, daß Sie beide eine entsprechende Erklärung beim Jugendamt oder Notar persönlich abgeben und beurkunden lassen.

Im Falle einer dauerhaften Trennung gelten dann die gleichen gesetzlichen Regelungen wie bei verheirateten Eltern, die sich trennen.

Unabhängig von der Regelung der elterlichen Sorge hat das Kind ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil. Jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind berechtigt, aber auch verpflichtet. Können sich die Beteiligten über die Regelung des Umgangs nicht einigen, so kann das Familiengericht über den Umfang des Umgangs entscheiden und seine Ausübung näher regeln. Stellt es fest, daß ein Elternteil den Umgang des anderen Elternteils mit dem Kind zu dessen Schaden einschränkt oder sogar verhindert, so kommt auch eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf diesen Elternteil in Frage, wenn er eher in der Lage ist, den freien Kontakt des Kindes zu beiden Eltern zu gewährleisten.

In besonders problematischen Fällen kann das Familiengericht auch den Umgang mit dem Kind einschränken oder anordnen, daß der Kontakt nur in Anwesenheit eines Dritten stattfinden darf, zum Beispiel in den Räumen des Jugendamtes oder einer Beratungsstelle. Es kann sogar den Umgang für eine bestimmte Zeit ganz ausschließen, wenn das Wohl des Kindes gefährdet wäre.
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Elterliche Verantwortung nach Trennung oder Scheidung

Ihr größtes Anliegen als Eltern ist es, daß Ihr Kind so wenig wie möglich unter der Trennung leidet. Auch der Gesetzgeber bemüht sich um den besonderen Schutz der Kinder und ihrer Bedürfnisse. Er hat deshalb das "Kindeswohl" zum Maßstab für alle Regelungen und richterlichen Entscheidungen gemacht, die Kinder betreffen. Das Gleiche gilt auch für die Mitwirkung des Jugendamtes bzw. der Jugendhilfe im Rahmen der Trennungs und Scheidungsberatung, von der später im Kapitel über Beratungshilfe noch die Rede sein wird.

Aber das Wohl eines Kindes ist nicht allein durch die Mitwirkung der Jugendhilfe und das Urteil des Richters zu verwirklichen. Erst wenn Sie als Eltern die Entscheidung mitfinden und mittragen  und wenn auch Ihr Kind seinem Entwicklungsstand entsprechend einbezogen wird ‚ kann eine Lösung entwickelt werden, die sich sowohl an den Bedürfnissen Ihres Kindes als auch an der speziellen Situation Ihrer Familie orientiert.

In jedem Fall ist Ihr Kind darauf angewiesen, daß Sie beide sich für seine weitere Entwicklung verantwortlich fühlen und daß Sie aus dieser elterlichen Verantwortung heraus eine überlegte Entscheidung über das Sorgerecht treffen. Ganz gleich wie Ihre Entscheidung ausfallen wird, für Ihr Kind ist es wichtig, Sie beide als Eltern zu behalten. Es muß spüren, daß Sie beide es lieben. Genau das ist notwendig, wenn es sich zu einem Menschen entwickeln soll, der Vertrauen zu sich und anderen hat.

Wenn Sie in der Betreuung und Erziehung als Eltern nicht gegeneinander, sondern miteinander handeln, ersparen Sie Ihrem Kind den Konflikt, jeweils einen Elternteil im Stich zu lassen, wenn es dem anderen nahe ist. Es muß nicht ständig Partei ergreifen. Es darf beide Eltern lieben.
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Je konkreter beide Eltern mit ihren persönlichen Eigenarten am Alltag des Kindes beteiligt sind und das Kind an ihrem Alltag teilnehmen lassen, desto "normaler" läuft alles ab: Ihr Kind kann von Ihrer persönlichen Verschiedenartigkeit, die es ja auch in sich trägt, profitieren; es erlebt verschiedene Modelle, wie man sein Leben gestalten kann, genauso wie in anderen Familien auch. So kann es mit Ihnen beiden in einer lebendigen Lebensgemeinschaft bleiben.

Wenn Sie dies lesen, denken Sie vielleicht, daß diese ideale Darstellung nur sehr wenig zu tun hat mit Ihrer Situation, in der die Schwierigkeiten und Konflikte manchmal so groß sind, daß Sie wünschten, der andere Elternteil würde völlig aus Ihrem Leben  und am besten auch aus dem Ihres Kindes verschwinden. Solche Wünsche sind verständlich. Aber mit der Zeit werden die Konflikte abnehmen, Ihr neuer Lebensbereich wird festere Konturen bekommen, Sie werden sicherer werden, und ein entspannteres Umgehen mit dem ehemaligen Partner wird möglich. Die "perfekte Lösung" von Anfang an gibt es nicht, eher die Orientierung hin auf ein Ziel. Vieles hat mit Ausprobieren, Üben und Lernen zu tun, und die Länge und die Anzahl der Schritte zum Ziel hängt von Ihrer ganz persönlichen Situation ab.

Sehr häufig stehen die Konflikte, die zur Auflösung der Partnerschaft geführt haben, noch so stark im Vordergrund, daß sie sich auf alle Entscheidungen auswirken, die das Kind betreffen. Je mehr Zusammenarbeit wegen des Kindes notwendig ist, desto leichter können auch die alten Paarkonflikte wieder aufleben. Ein Beispiel: Ein Elternteil wünscht eine Terminänderung, und der andere denkt vielleicht:
"Immer dasselbe, was ich auch plane wird über den Haufen geworfen. Der andere muß immer das letzte Wort haben." Wenn diese Konflikte aber noch so extrem sind, daß Ihr Kind sie ständig miterleben muß oder häufig selber zum Gegenstand des Streites wird, dann sollten Sie unbedingt Rat und Hilfe suchen.
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Je unterschiedlicher die Eltern in ihrer Lebenseinstellung und in ihren Erziehungszielen sind, desto eher werden sie vielleicht die Einflußnahme des anderen auf die Entwicklung des Kindes fürchten. Tatsächlich besteht die Gefahr, daß es immer wieder zu Konflikten kommt, die sich mit der Zeit verhärten und dann unlösbar erscheinen. Gerade Gegensätzliches kann jedoch eine Bereicherung im Erfahrungsschatz eines Kindes sein. Unabhängig von der Art des Sorgerechts wäre es gut, wenn getrennte Eltern ihre unterschiedlichen Lebenseinstellungen tolerieren könnten. Kindern kann man erklären, warum das, was beim Vater üblich ist, bei der Mutter anders gehandhabt wird. Schließlich geht es auch bei den Großeltern anders zu als zu Hause, und in Kindergarten und Schule gelten wiederum andere Regeln.

Manchmal gerät die Zusammenarbeit als Eltern auch dadurch in eine Krise, daß ein Elternteil oder beide eine neue Partnerschaft eingehen. Es besteht dann die Gefahr, daß der neue Partner als Rivale um die Liebe des Kindes angesehen wird, als unliebsamer Eindringling, der den leiblichen Eltern ihre Elternrolle streitig macht. An dieser Stelle liegt eine Vermischung von alten Paarkonflikten und neuen Elternkonflikten besonders nahe.

Diese Probleme sind einige Beispiele von vielen, die eine Elternschaft nach einer Trennung oder Scheidung betreffen können, ganz gleich, wie die Sorgerechtsregelung aussieht. Wichtig bei all dem ist, daß Sie die Chance nicht vertun, sich beide weiterhin für die Erziehung des Kindes verantwortlich zu fühlen. Wichtig ist aber auch, daß Sie sich über Ihre ganz persönlichen Stolpersteine dabei im klaren sind. Und ebenso wichtig ist es, daß Sie sich immer wieder klarmachen, daß Schwierigkeiten und Pannen genauso zum Erziehungsalltag gehören wie Erfolge und Freuden  und zwar gleichermaßen in Familien, die zusammenleben, und solchen, die getrennt sind.
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Die gemeinsame elterliche Sorge

Gemeinsames Sorgerecht bedeutet, daß Sie beide trotz Ihrer Trennung als Paar weiterhin alle wesentlichen Aufgaben und alle Verantwortung als Eltern miteinander teilen. Das betrifft jedoch nicht nur die weiterreichenden Entscheidungen, die das Leben Ihres Kindes erheblich berühren. Wenn Sie das gemeinsame Sorgerecht ausüben wollen, gilt, was schon allgemein zur elterlichen Verantwortung nach der Scheidung gesagt wurde: Sie sollten anerkennen, daß Ihr früherer Partner (bzw. frühere Partnerin) trotz seiner für Sie vielleicht unangenehmen oder sogar unerträglichen Seiten als Elternteil genauso wichtig für Ihr Kind ist wie Sie selber. Sie sollten davon überzeugt sein, daß er ebenso wie Sie seine Erziehungsaufgaben wahrnehmen kann, und zwar auf seine Weise, die in manchem sicher anders ist als die Art, die Sie selbst im Umgang mit Ihrem Kind haben. Schließlich ist er ja auch berechtigt, alle Entscheidungen des Alltags für das Kind alleine zu treffen, solange es sich bei ihm befindet.

Wenn Sie so darüber denken, kann Ihr Kind Sie beide als Eltern behalten, und es kann mit Ihnen beiden in einer lebendigen, sich ständig weiterentwickelnden Beziehung bleiben. Es kann Sie beide häufig sehen. Beide bleiben Sie gleichermaßen bedeutsam für das Kind. Es muß nicht abwechselnd für einen von Ihnen Partei ergreifen. Bezüglich des Sorgerechts gibt es keinen Verlierer und keinen Gewinner; beide Eltern sind gleichermaßen geeignet und notwendig für die Erziehung. So kann Ihr Kind sicher sein, daß es beide Eltern lieben darf und von beiden geliebt wird.

Ganz wesentlich für das Gelingen der gemeinsamen elterlichen Sorge ist es, daß Sie ihre konkrete Ausgestaltung so ausführlich wie möglich miteinander besprechen und planen. Ein häufiges Mißverständnis soll bei dieser Gelegenheit gleich ausgeräumt werden: Gemeinsame elterliche Sorge bedeutet nicht, daß alle Aufgaben - Betreuung, Versorgung,
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Erziehung - zu absolut gleichen Teilen erledigt werden müssen. Das ist zwar prinzipiell möglich, aber eher unrealistisch. Ein "normaler" Fall von gemeinsamer elterlicher Sorge verlangt zunächst einmal Einigung darüber, bei wem das Kind seinen überwiegenden Aufenthalt hat, wann es mit dem anderen Elternteil zusammen ist, und wie die finanzielle Regelung aussehen soll. Durch Ihre Zusammenarbeit wird es möglich, die Planung des Alltags den Bedürfnissen und der Realität des Kindes und der Eltern anzupassen, ohne starre Zeitpläne befolgen zu müssen.

Wenn Sie möglichst offen und kooperativ über alle Einzelheiten im Gespräch und in der Auseinandersetzung bleiben können, werden Sie auch Möglichkeiten finden, notwendige Veränderungen zu bewältigen. Denn eines ist sicher: Bedingt durch die Entwicklung Ihres Kindes, aber auch durch eine mögliche neue Partnerschaft oder durch berufliche Erfordernisse werden Sie Ihre Vereinbarungen immer wieder neu gestalten müssen  wie in jeder anderen Familie auch.

Im Alltag bietet das gemeinsame Sorgerecht den Vorteil, daß beide Eltern sich gegenseitig in der Betreuung und Verantwortung für das Kind entlasten. Auf diese Weise bleibt beiden Platz, auch ihr eigenes Leben nach der Trennung oder Scheidung neu gestalten zu können. Darüber hinaus ist es leichter, schwierige Situationen, wie sie mit jedem Kind auftreten, gemeinsam anzugehen.

Die Vorteile der gemeinsamen Sorge sind also nicht von der Hand zu weisen. Sie erfordert jedoch ein größeres Maß an Abstimmung und Zusammenarbeit als die alleinige Sorge. In der Regel sind häufigere Kontakte zum ehemaligen Partner notwendig. Anstehende Probleme können nicht einfach zur Seite geschoben werden, sondern verlangen eine Klärung.

Gelegentlich wird die gemeinsame elterliche Sorge mißverstanden als Möglichkeit, den anderen Elternteil zu kontrollieren und zu bestimmen, wie sich der

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andere dem Kind gegenüber zu verhalten hat. Das heißt, daß der alte Machtkampf der Ehe jetzt auf dem Feld der Erziehung weitergeführt wird. Der Verlierer ist das Kind.

Ein weiteres Beispiel für eine Schwierigkeit, die auftreten kann: Manch ein Elternteil begrüßt das gemeinsame Sorgerecht, weil er Angst davor hat, sich nach der Scheidung auch innerlich vom ehemaligen Partner zu trennen. Das Kind dient dann dazu, doch noch irgendwie miteinander verbunden zu bleiben, und es besteht die Gefahr, daß es in einem unklaren Schwebezustand gehalten wird. Verstärkte und andauernde "Wiedervereinigungsphantasien" des Kindes, die es daran hindern, sich mit seiner neuen Wirklichkeit vertraut zu machen, sind die Folge.

Problematisch wird es auch dann, wenn Ihre persönlichen Streitigkeiten noch so heftig sind, daß eine Einigung in wesentlichen Erziehungsfragen unwahrscheinlich erscheint.

Allgemein läßt sich sagen: Die gemeinsame elterliche Sorge ist dann gefährdet, wenn andere Gründe als das Kindeswohl das Handeln der Eltern bestimmen.

Andererseits ist es leicht nachzuvollziehen, daß die meisten Kinder sich eine Lösung wünschen, die ihnen trotz der Trennung der Eltern konfliktfrei möglichst viel Kontakt zu beiden Eltern verschafft. Auch wenn es Ihnen zunächst vielleicht unmöglich erscheint, lohnt es sich, sehr genau darüber nachzudenken und in Ihrer Familie zu besprechen, wie die gemeinsame Sorge bei Ihnen zu verwirklichen ist.

Scheuen Sie sich nicht, dabei Beratung in Anspruch zu nehmen, um sich nach dem "Prinzip der kleinen Schritte" einer guten Lösung zu nähern.
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Die alleinige elterliche Sorge

Wenn die elterliche Sorge Ihnen alleine übertragen wurde, sind Sie zuständig für alle wichtigen Entscheidungen, die das Kind betreffen. Sie allein sind gesetzlicher Vertreter. In der Regel wohnt das Kind auch bei Ihnen und wird von Ihnen versorgt. Der andere Elternteil zahlt seinen Beitrag zum Kindesunterhalt und hat das "Umgangsrecht", d. h. er hat einen möglichst regelmäßigen Kontakt zum Kind und verbringt einen Teil der Ferien mit ihm. Das Gesetz spricht ausdrücklich von einer Verpflichtung zum Umgang und von einem Recht des Kindes auf diesen Kontakt.

Viele umgangsberechtigte Väter und Mütter haben jedoch das Gefühl, daß sie bei dieser Aufgabenverteilung benachteiligt oder sogar als Eltern "entmündigt" sind. Sie sagen vielleicht: "Wenn ich schon das Sorgerecht nicht habe, dann halte ich mich lieber ganz raus, dann soll der andere halt alleine fertig werden." Oder: "Immer wieder muß ich mit dem Kind den Kontakt neu aufbauen und es dann gleich wieder abgeben  das tut so weh, das erspare ich mir und auch dem Kind und ziehe mich lieber zurück!"

Umgekehrt denken manche Eltern, die das Sorgerecht alleine ausüben: "Der andere hat sich die ganze Zeit nicht um das Kind gekümmert, dann soll er sich doch auch jetzt raushalten!" Oder: "Das Kind ist nach dem Besuchstag beim Vater immer so durcheinander, am liebsten möchte ich diese Treffen ganz streichen!" Oder: "Ich kann meinem Kind nicht zumuten, die Mutter in der Wohnung zu besuchen, wo sie mit dem neuen Partner wohnt!"

Das Umgangsrecht gehört aber im Interesse der Kinder unbedingt als Ergänzung zum alleinigen Sorgerecht dazu. Beides sollten Sie nicht nur als einen gesetzlichen Anspruch oder eine gesetzliche Verpflichtung der Eltern ansehen, sondern vor allem als Recht der Kinder auf beide Eltern. Wenn Sie beide einander in Ihrer jeweiligen Rolle voll akzeptieren,

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können die Kinder Sie beide als Eltern behalten und den Verlust der bisherigen Familiensituation besser verkraften. Sorgerecht und Umgangsrecht ergänzen sich als Aufgabenbereiche. Beides zusammen macht erst die elterliche Verantwortung aus, die Ihnen gemeinsam auferlegt ist. Es gibt deshalb auch keinen "besseren" und keinen weniger wichtigen Elternteil

Wenn Sie das Umgangsrecht so verstehen und handhaben, dann kann derjenige von Ihnen, der das Umgangsrecht ausübt, einen Teil der Erziehung übernehmen und den anderen damit entlasten. Zum Beispiel könnte es dann am Telefon heißen: "Kannst du an diesem Wochenende das Kind schon früher abholen und mit ihm für die Prüfung lernen? Ich habe so viel zu tun, und du verstehst mehr von Mathematik".

Die Kinder wiederum können dann erleben, daß Sie beide als E1tern zuständig sind und daß Sie jedenfalls dann nicht miteinander streiten, wenn es um ihre Belange geht. Die Kinder haben es deshalb immer weniger nötig, abwechselnd für einen von Ihnen Partei zu ergreifen. Sie können freier an den Besuchstagen und in den Ferien von einem zum anderen Elternteil wechseln.

Es ist sogar möglich, daß Sie beide erst in der Trennungssituation eine neue Beziehung zu Ihrem Kind entwickeln können, weil Sie dann entlastet sind von Ihren Auseinandersetzungen als paar. Wenn Sie dies als natürliche Entwicklung und als Chance für alle Beteiligten ansehen können, dann ist es nicht mehr nötig, dem anderen Elternteil sein "plötzliches" Interesse an dem Kind zum Vorwurf zu machen.

Sie sehen also, wie wichtig das Umgangsrecht als notwendige Ergänzung zum Sorgerecht des anderen Elternteils ist. Das Gleiche gilt natürlich auch beim gemeinsamen Sorgerecht für den persönlichen Umgang des Kindes mit dem Elternteil, bei dem es nicht ständig wohnt. Im folgenden Abschnitt sind daher einige allgemeine Hinweise zur Ausgestaltung zur Handhabung des Umgangs mit Ihrem Kind zusammengestellt.

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Der Umgang mit dem Kind

Niemand kann die Bedürfnisse Ihres Kindes und auch Ihre eigenen Möglichkeiten und Bedürfnisse so gut einschätzen wie Sie als Eltern. Deshalb ist es am besten, wenn Sie beide gemeinsam mit Ihrem Kind versuchen, eine Umgangsregelung zu finden. Erst wenn Sie sich nicht einigen können, wird der Umfang der Kontakte vom Familiengericht festgelegt werden müssen. Aber auch es wird versuchen, mit Ihnen beiden gemeinsam eine Lösung zu finden, die sowohl dem Kind als auch Ihnen gerecht wird. Nur wenn die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt sind, kann die Regelung auch von allen getragen werden.

Rechnen Sie damit, daß Sie Zeit brauchen werden, bis sich Ihre Absprachen so verwirklichen lassen, daß Sie alle zufrieden sein können. Gerade am Anfang werden Sie merken, daß vieles schwieriger oder holpriger läuft, als Sie vielleicht gehofft haben.

So werden Sie möglicherweise beobachten, daß Ihr Kind immer wieder ganz durcheinander ist, wenn es von einem von Ihnen zum anderen wechselt. Vielleicht finden Sie auch, daß Ihr Kind sehr aggressiv reagiert oder daß es so traurig wirkt, daß Ihnen sein Anblick weh tut. Manche Eltern versuchen daraufhin, die Treffen mit dem anderen Elternteil so weit wie möglich einzuschränken oder aber ganz zu streichen. Bedenken Sie aber, daß die Verwirrung, die Aggression oder die Trauer Ihres Kindes nicht erst durch die Besuchsregelung entstanden sind, sondern durch die Trennung und ihre Folgen. Ihr Kind braucht Zeit, genau wie Sie selber auch, um sich an die veränderte Situation zu gewöhnen, und es braucht die Möglichkeit, seine Gefühle auszudrücken.

Und noch ein anderer Punkt könnte Ihnen gerade in der ersten Zeit nach der Trennung zu schaffen machen: Es kann geschehen, daß derjenige von Ihnen, der nicht mit dem Kind zusammen wohnt, jetzt anfängt,
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sich sehr liebevoll und genau auf "sein' Wochenende mit dem Kind vorzubereiten. Vielleicht erlebt er zum ersten Mal, wie schön es zusammen mit dem Kind sein kann. Der andere Elternteil hingegen, der sich möglicherweise all die Jahre vorher mit der Betreuung des Kindes alleingelassen gefühlt hat, könnte diese Veränderung nur voller Bitterkeit sehen: Jetzt auf einmal wird etwas möglich, was der andere früher nie getan hat. Diese Bitterkeit ist sehr verständlich. Wichtig ist aber, daß dadurch ein neuer Anfang des anderen in der Beziehung zum Kind nicht erschwert wird: Für Ihr Kind kann es nur gut sein, wenn es zu beiden Eltern Kontakt hat, und manchmal kann gerade die Trennung eine Chance sein, diesen Kontakt ganz neu aufzubauen.

Ein häufiger Vorwurf desjenigen Elternteils, bei dem das Kind wohnt, gegenüber dem anderen Elternteil lautet, daß das Kind bei den kurzen Besuchen übermäßig verwöhnt wird. "Es ist leicht", heißt es dann, "an einem Wochenende oder in den Ferien das Schlaraffenland zu bieten. Aber ich muß den Alltag mit dem Kind bewältigen, muß mit wenig Geld auskommen, muß Grenzen setzen, und meine Aufgabe wird durch die Verwöhnerei nur erschwert." Natürlich wäre es gut, wenn Sie beide Ihrem Kind ein allzu großes Wechselbad zwischen Verwöhnung und Versagung ersparen könnten, indem Sie sich als Eltern immer wieder neu absprechen. Aber vertrauen Sie auch auf die Urteilskraft Ihres Kindes, das nicht nur sehr wohl zwischen Ausnahme und Regel unterscheiden kann, sondern vor allem die Verschiedenartigkeit seiner Eltern und ihres Erziehungsverhaltens wahrnehmen und akzeptieren kann.

Hinzu kommt noch, daß "Sonntags-Erziehung", randvoll mit Attraktionen und Ablenkungen, für das Kind zunächst sicher reizvoll ist. Sie wird aber schon nach relativ kurzer Zeit fade und kann die Beziehung zwischen dem Kind und diesem Elternteil aushöhlen. Natürlich gehören Spaß und gemeinsame Unternehmungen in jede Eltern-Kind-Beziehung. Das Kind braucht aber auch einen Platz im ganz normalen

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Alltag beider Eltern, mit den Pflichten und auch den Konflikten, die dazugehören.

Noch ein Wort zum Aushorchen: Für ihr Kind ist es schlimm, wenn es vom einen Elternteil über den anderen ausgefragt wird. Es kommt dann in die Zwickmühle, den einen dadurch schützen zu müssen, daß es dem anderen einen Wunsch abschlägt, oder den einen dadurch zu "verraten", daß es dem anderen Auskunft gibt. Andererseits wäre es auch schlimm, wenn alles, was das Kind beim anderen erlebt, zum Tabu würde. Das Kind müßte dann das Gefühl bekommen: "Was ich mit dem anderen Elternteil erlebe, darf eigentlich nicht sein, darüber darf nicht gesprochen werden." Am besten wäre es daher, wenn Sie sich bei Ihren Gesprächen mit dem Kind über sein Leben mit dem anderen auf das beschränken, was das Kind angeht und was es selbst erzählen will. Auf keinen Fall sollten Sie diese Informationen zur Fortsetzung der Auseinandersetzungen mit dem früheren Partner benutzen.

Gerade in der Anfangszeit der Trennung sind genaue Absprachen besonders wichtig. Dazu gehört die Festlegung der Termine ebenso wie gegenseitige Informationen über aktuelle Belange und über den Gesundheitszustand Ihres Kindes. Es gehört auch dazu, daß Sie klären, welche persönlichen Gegenstände des Kindes wie Spielzeug, Kleidung, Zahnbürste oder "Schmusekissen" in der Wohnung jedes Elternteils vorhanden sein sollten. Fragen Sie dazu auch Ihr Kind, es kann oft sehr genau sagen, was ihm hilft, sich zu Hause zu fühlen. Vielleicht gehört dazu auch ein Foto des anderen Elternteils.

Wichtig ist, daß Sie Ihr Kind auf den bevorstehenden Besuch vorbereiten. Suchen Sie zum Beispiel in aller Ruhe mit ihm zusammen die Kleider aus, die es am Wochenende anziehen möchte. Zeigen Sie Ihrem Kind durch diese Vorbereitungen, daß Sie sein Zusammensein mit dem anderen Elternteil in Ordnung finden.

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Bei der "Übergabe" wäre es schön für Ihr Kind, wenn es nicht wortlos zwischen den Eltern hin und hergeschoben würde, sondern wenn es erleben könnte, daß die Eltern zu einem freundlichen Wort in der Lage sind oder zumindest sachlich miteinander umgehen können. Normalerweise holt der Elternteil, der den Umgang wahrnimmt, das Kind ab. Dies ist aber kein Muß. Ihr Kind freut sich sicher, wenn beide Eltern flexibel sein können, wenn also zum Beispiel auch der andere Elternteil das Kind zuweilen bringt oder abholt. Bedenken Sie nur, daß diese an sich wünschenswerte Offenheit erst dann möglich ist, wenn Sie als Eltern wieder einigermaßen "normal" miteinander umgehen können. Je zerstrittener Sie noch sind, desto wichtiger ist es, daß Sie sich ganz genau an alle Vereinbarungen halten. Und gerade am Anfang sind feste Regelungen eine gute Orientierungshilfe.

Sehr wichtig ist die Frage, wie der umgangsberechtigte Elternteil die Zeit mit dem Kind gestaltet. Im Kapitel über die juristischen Regelungen wurde bereits darauf hingewiesen, daß er allein verantwortlich ist für die Alltagsfragen der Betreuung des Kindes, solange es sich berechtigterweise bei ihm aufhält. Auch hier gilt: Alle Beteiligten brauchen Zeit, um sich an die neue Situation zu gewöhnen, um Verschiedenes auszuprobieren, auch einmal Fehler machen zu dürfen. Wie bereits erwähnt, ist es gut, wenn das Kind auch etwas vom Alltag des anderen miterlebt und umgekehrt. Das kann zum Beispiel so aussehen, daß das Kind regelmäßige Hilfe bekommt bei den Hausaufgaben, daß es seine Freunde mitbringen kann, aber genauso, daß es beim Gardinenaufhängen in der neuen Wohnung oder beim Kochen beteiligt ist.

Sie werden sicher immer wieder einmal erleben, daß Sie nicht damit einverstanden sind, wie Ihr früherer Partner mit Ihrem Kind umgeht. Aber vielleicht ist gerade diese Gegensätzlichkeit der Eltern für Ihr Kind etwas sehr Wichtiges. Ein Beispiel: Wenn Sie selbst sehr gewissenhaft sind, werden Sie Ihren früheren

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Partner vielleicht als nachlässig ‚oder unordentlich erleben. Für Ihr Kind kann aber gerade dieser Unterschied zwischen den Eltern eine Chance sein. Es lernt, daß man bei al1er Ordnung und Regelmäßigkeit auch einmal "fünfe gerade sein lassen" kann. Vielleicht können Sie sich in einer ruhigen Stunde einmal überlegen, welche Eigenschaften Ihres früheren Partners Sie immer wieder auf die Palme gebracht haben  und inwieweit gerade diese Eigenschaften für Ihr Kind wichtig sein könnten.

Zum Alltag gehören auch die Verwandten und Freunde. Dem hat der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er Großeltern und Geschwistern ein Recht auf Umgang einräumt, wenn es dem Wohl des Kindes dient. Das Gleiche gilt auch für Stiefelten und Pflegeeltern, wenn das Kind über längere Zeit mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Es ist sehr wichtig für Ihr Kind, daß ihm trotz der Trennung der Eltern die weitere Familie und der Freundeskreis beider Eltern sowie andere wichtige Bezugspersonen erhalten bleiben. Wenn es sich sicher eingebunden fühlen kann in die bestehenden Beziehungen, dann hilft ihm das, die Trennung der Eltern besser zu verkraften.

Häufig gibt es Auseinandersetzungen darüber, wie oft und wie lange sich das Kind beim anderen Elternteil aufhalten soll. Eine allgemeingültige zeitliche Regelung gibt es nicht; alle Regelungen müssen immer wieder dem Alter des Kindes und der Situation aller Beteiligten angepaßt werden. Häufig wird vereinbart daß das Kind alle 14 Tage ein Wochenende beim umgangsberechtigten Elternteil verbringt.

Dieser Zeitraum ist aber für sehr kleine Kinder gar nicht mehr überschaubar. Hier wäre es sinnvoller, wenn die Kontakte lieber häufiger, vielleicht aber kürzer sein könnten. Denkbar wäre zum Beispiel, daß der Umgangsberechtigte zweimal wöchentlich am Nachmittag zum Spielen in die Wohnung käme und der Elternteil, bei dem das Kind wohnt, diese Zeit außerhalb der Wohnung für sich nützen könnte. Eine andere Möglichkeit wäre es, am Abend öfter mit

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dem Kind zusammen zu essen. Als Schwierigkeit bleibt dabei, daß durch die Besuche in der Wohnung die alten Konflikte aus der Paarbeziehung wieder aufleben können. Vielleicht ist es in diesem Fall sinnvoller, wenn Sie als Umgangsberechtigter das Kind mit in Ihre Wohnung nehmen oder sich an einem dritten Ort, zum Beispiel in der Wohnung der Großeltern mit ihm treffen.

Welche Lösung für Sie in Frage kommt, hängt außer von den zeitlichen Gegebenheiten in Ihrer Familie natürlich davon ab, in welchem Maße Sie als Eltern zusammenarbeiten können bzw. ob Sie noch zerstritten sind.

Die Ferien Ihres Kindes können zwischen beiden Eltern aufgeteilt werden. Nur sollte Ihrem Kind zwischen den verschiedenen Unternehmungen mit Ihnen beiden und vor Schulbeginn Zeit bleiben, zur Ruhe zu kommen. Sinnvoll ist es, wenn Sie die Ferienpläne nach den Freizeitinteressen abstimmen. Fährt Ihr Kind zum Beispiel gerne Ski, und nur einer der Eltern hat auch Interesse daran, so wäre es schön, wenn es die Winterferien mit diesem zusammen verbringen könnte.

Je größer die Kinder werden, desto wichtiger wird es, sie an der Entscheidung über die Umgangsregelung zu beteiligen. Altere Schulkinder haben bereits ihre eigenen Vorstellungen darüber, wie sie ihre freie Zeit verbringen wollen. Oft fällt es ihnen schwer, auf lange Sicht im voraus zu planen. Und oft werden auch Treffen mit Gleichaltrigen für sie wichtiger als das Zusammensein mit Vater oder Mutter.

Für den Elternteil, der sich auf das Wochenende mit dem Kind gefreut hat, ist es oft schwer zu verkraften, wenn er spürt, daß sein Kind lieber etwas anderes tun will, als mit ihm zusammen zu sein. Vielleicht hat er Angst, daß die Liebe des Kindes nachlassen könnte. Vielleicht hat er aber auch den Verdacht, daß der andere Elternteil das Kind gegen ihn beeinflußt. Wenn Sie als Eltern miteinander auch diese Dinge besprechen können, lassen sich

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solche Befürchtungen vermutlich entkräften. Zumindest können Sie sich dann leichter erklären, was das Verhalten Ihres Kindes zu bedeuten hat.

Vielleicht hilft Ihnen dabei die Überlegung, daß in jeder Familie  ob getrennt lebend oder nicht  die Zeit kommt, in der größere Kinder und erst recht die Jugendlichen allmählich immer mehr ihre eigenen Wege gehen und gehen müssen. Das ist kein Zeichen für mangelnde Liebe, sondern die natürliche Entwicklung. Vertrauen Sie darauf, daß Ihrem Kind, auch wenn es langsam erwachsen wird, der Kontakt zu Ihnen wichtig sein wird, wenn Ihre Beziehung zueinander lebendig bleibt, und dafür läßt sich viel tun.

Für denjenigen von Ihnen, der mit dem Kind nicht ständig zusammenlebt, gibt es neben den regelmäßigen Wochenendbesuchen und den Ferien eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie Sie die Beziehung zu Ihrem Kind lebendig halten können. Es gibt wichtige Tage im Leben Ihres Kindes, Feiertage und Geburtstage (auch die der Eltern), den ersten und letzten Schultag, Tage mit einer gefürchteten Klassenarbeit oder einem ersehnten Fußballspiel  kurz, lauter Gelegenheiten, wo Sie Ihrem Kind zeigen können, daß Sie an es denken. Wie Sie das zeigen, ob Sie ihm zum Beispiel schreiben oder es anrufen oder ein Päckchen schicken, bleibt Ihrer Phantasie überlassen.

Im übrigen ist jeder Elternteil verpflichtet, dem anderen Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu geben. Ein solcher Austausch ist eine wichtige Unterstützung, die dem abwesenden Elternteil und damit auch dem Kind hilft, die Beziehung zueinander aufrechtzuerhalten und weiter zu entwickeln. Das gilt besonders dann, wenn äußere Umstände den Kontakt erschweren. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, hat dann eine besondere Verpflichtung. Er kann dieser Aufgabe z.B. dadurch nachkommen, daß er den anderen durch Fotos und Nachrichten vom Kind über dessen Entwicklung auf dem laufenden hält.
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Sie werden feststellen, daß in der ersten Zeit nach der Trennung die festen Regelungen, die Sie vereinbart haben, eine Orientierungshilfe für alle Beteiligten sein können. Durch diese Regeln wird für Ihr Kind der Kontakt zu beiden Eltern gesichert. Je mehr Sie einander als Eltern, die beide das Beste für Ihr Kind wollen, vertrauen können, desto deutlicher werden Sie merken, daß Sie flexibler sein können. Sie werden sich dann immer weniger auf Regeln, dafür immer mehr auf gemeinsame Absprachen stützen können.

Das Wichtigste ist, daß Sie beide trotz Ihrer Trennung für Ihr Kind als Eltern vorhanden und erreichbar bleiben.

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Neue Partner

Oft gibt es bei einer Trennung einen neuen Partner im Leben eines oder beider Elternteile.

Selbst wenn das Kind diesen neuen Partner schon länger kennt und sich auch anscheinend gut mit ihm versteht, ist sein Hinzukommen aus der Sicht des Kindes nicht unbedingt ein freudiges Ereignis. Vielleicht ist Ihr Kind noch nicht so weit, daß es mit der Situation, die aus Ihrer Trennung entstanden ist, gut zurechtkommt. Ein neuer Partner bringt zwangsläufig viele Veränderungen mit sich. Häufig ist das Kind auch eifersüchtig auf diesen neuen Partner, weil es auf einmal Vater oder Mutter mit ihm teilen soll.

Lebt das Kind bei dem Elternteil, der eine neue Partnerschaft eingeht, so wird in dem verständlichen Bemühen, möglichst schnell wieder eine "normale" Familie entstehen zu lassen, häufig der Fehler gemacht, den Kontakt des Kindes zum außerhalb lebenden Elternteil einzuschränken oder sogar völlig abzubrechen.

Für das Kind bedeutet das aber, daß in einer schwierigen Zeit eine wichtige Beziehung gestört und damit erneut belastet wird. Gleichzeitig soll es zu einem neuen Erwachsenen eine Beziehung aufbauen. Das Kind betrachtet diesen Menschen aber meist noch gar nicht als zur Familie gehörig, da es erst wenige gemeinsame Erfahrungen mit ihm gibt.

Für den anderen Elternteil, der um seine Beziehung zum Kind fürchtet, ist die Vorstellung meist schwer erträglich, daß der neue Partner seine Stelle als Vater bzw. als Mutter einnehmen könnte.

Genauso kann es dem Elternteil gehen, bei dem das Kind lebt, wenn er erfährt, daß sein früherer Partner eine neue Bindung eingeht oder heiratet. Es fällt auch ihm manchmal schwer, das Kind zu den schon gewohnten Zeiten zum anderen Elternteil gehen zu lassen. Auch in diesem Fall erlebt das Kind, daß es

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nicht mehr problemlos seine Beziehung zu beiden Eltern leben darf.

Getrennte Eltern, die eine neue Partnerschaft anstreben, tun deshalb gut daran, das Recht des Kindes auf ungehinderten Zugang zum anderen Elternteil zu respektieren. Möglicherweise muß dieses Recht sogar gegen den neuen Partner verteidigt werden. Der neue Partner ist für das Kind kein Ersatzelternteil. Er kann aber im Laufe der Zeit eine wichtige Bezugsperson für das Kind werden.

Manche Eltern machen die Erfahrung, daß es sowohl für sie selbst als auch für ihr Kind sinnvoll sein kann, eine "Schonzeit" zu vereinbaren, in der der neue Partner noch nicht in die Kontakte mit dem Kind einbezogen wird.

Lassen Sie Ihrem Kind in jedem Fall Zeit, mit dem neuen Erwachsenen in seinem Leben vertraut zu werden, so daß es aus der Sicherheit seiner gewachsenen Beziehungen heraus eine neue aufbauen kann.

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Beratung und Hilfe

Nach dem Kinder und Jugendhilfegesetz (KJHG) haben alle, die für ein Kind unter 18 Jahren zu sorgen haben oder tatsächlich sorgen, einen Anspruch auf Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung, wenn sie dies wünschen. Dieses Beratungsangebot steht Ihnen zur Verfügung, falls es vor, während oder nach der Trennung und Scheidung Fragen oder Probleme geben sollte, z.B. bei der Betreuung des Kindes, im Umgang mit dem anderen Elternteil oder wegen des Unterhalts. Auch andere für das Kind wichtige Personen wie z. B. Großeltern oder Pflegeeltern haben einen Anspruch auf Beratung.

Sie finden diese Beratungsmöglichkeiten bei den Erziehungs-, Ehe und Familienberatungsstellen und bei den Jugendämtern bzw. den allgemeinen Sozialdiensten. Adressen kann Ihnen Ihr zuständiges Jugendamt, das Familiengericht oder Ihr Anwalt geben, Sie finden sie aber auch im Telefonbuch. Darüber hinaus können Sie sich auch an Psychotherapeuten oder Mediatoren in freier Praxis wenden, die Information, Beratung oder Therapie für Familien in der Trennung anbieten.

In jedem Fall kann es nützlich sein, mit einem fachlich qualifizierten Außenstehenden darüber zu sprechen, wie Ihr Leben als Familie in und nach der Trennung so gestaltet werden kann, daß alle Beteiligten es bejahen können.

Auch wenn Sie sich bei einer Scheidung über die Gestaltung der elterlichen Sorge geeinigt haben, wird sich das vom Familiengericht verständigte Jugendamt auf jeden Fall mit Ihnen in Verbindung setzen und Sie über die Beratungsangebote der Kinder- und Jugendhilfe informieren. Es liegt bei Ihnen, ob Sie davon Gebrauch machen wollen oder nicht.

Können Sie sich hingegen nicht einigen und stellen Sie beide oder einer von Ihnen beim Familiengericht einen Antrag auf das alleinige Sorgerecht, so weist
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Sie das Familiengericht auf die bestehenden Beratungsmöglichkeiten hin. Darüber hinaus hat das Jugendamt die Aufgabe, dem Gericht einen fachlichen Bericht abzugeben.

Dessen Inhalt hängt im wesentlichen davon ab, ob Sie sich als Eltern mit Hilfe der Beratung doch noch auf ein gemeinsames Konzept für die Sorgerechts- und Umgangsregelung einigen können oder nicht.

Im Falle der Einigung teilt das Jugendamt dem Familiengericht grundsätzlich nur den von Ihnen erarbeiteten einvernehmlichen Vorschlag mit. Konnten Sie sich hingegen nicht über das Sorge oder Umgangsrecht verständigen, so berichtet das Jugendamt über angebotene und erbrachte Hilfeleistungen, über erzieherische und soziale Gesichtspunkte zur Entwicklung des Kindes und über weitere Hilfemöglichkeiten nach der Trennung oder Scheidung. In diesen streitigen Fällen steht es im Ermessen des Jugendamtes, ob der fachliche Bericht einen Entscheidungsvorschlag für das Gericht enthält.

Bevor der Bericht an das Familiengericht weitergeleitet wird, muß der Inhalt mit Ihnen grundsätzlich abgesprochen werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Jugendamt zuvor selbst eine Beratung durchgeführt hat, weil die hierbei erhaltenen Informationen nur mit Ihrem Einverständnis an das Familiengericht weitergegeben werden dürfen.
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Zu den Autoren:

Osterhold Lederle von Eckardstein, Psychologiestudium in Freiburg und München. Diplom. Klinische Psychologin / Psychotherapeutin BDP, Familientherapeutin DFS, Mediatorin BAFM, Systemische Supervisorin DFS / Supervisorin BDP. Lehrbeauftragte der Universität München. In eigener Praxis in München tätig. Schwerpunkte: Paar- und Familientherapie, Trennungs und Scheidungsberatung und Mediation, Einzeltherapie, Supervision.

Renate Niesel, Psychologiestudium in Frankfurt/Main und Denver, Colorado (USA). Diplom. Wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München (bis 1993 Staatsinstitut für Frühpädagogik und Familienforschung), in den Bereichen Elterntrennung, Reaktionen der Kinder und Interventionen für geschiedene Familien. Weitere Forschungsarbeiten zu Übergängen in der Familienentwicklung, Fortbildungstätigkeit für Erzieherinnen, Sozialpädagogen und -pädagoginnen.

Joseph Salzgeber, Staatsexamen für Erziehungswissenschaften; Studium der Psychologie an den Universitäten Regensburg, Boulder, Colorado (USA) und München; Diplom; Promotion in Psychologie an der Univ. Tübingen, Promotion in Sozialwissenschaften an der Karls-Universität in Prag. Gründung und Leitung der GWG Gesellschaft für wissenschaftliche Gerichts und Rechtspsychologie und 1987 der afp / Arbeitsgemeinschaft für forensische Psychologie, forensische Psychiatrie und forensische Medizin. Öffentlich beeidigter und bestellter Sachverständiger für das Fachgebiet "Forensische Psychologie", Supervisor BDP.

Uwe Schönfeld, zweites juristisches Staatsexamen 1967, Jugendstaatsanwalt, Jugendrichter, Mietrichter. Ab 1978 Familienrichter und Vormundschaftsrichter für Minderjährige. Seit 1984 in der Richterfortbildung tätig. Von 1989 bis 1994 Teilnahme an Seminaren für Mediation. Seit Oktober 1989 Mitglied eines Familiensenats am Oberlandesgericht München.




[Kostenlos bestellen beim Bundesministerium für Familie, Frauen und Jugend, Broschürenstelle, Postfach 20 15 51, 53 145 Bonn, Tel.: 0180/532 93 29, Fax: 0228/930 49 13.]

Lederle - von Eckardstein - Niesel - Salzgeber - Schönfeld

Herausgeber:
Deutsche Arbeitsgemeinschaft für
Jugend und Eheberatung e.V.

Osterhold Lederle von Eckardstein
Diplompsychologin, Psychotherapeutin

Renate Niesel
Diplom Psychologin, wissenschaftliche Referentin

Dr. Joseph Salzgeber
Diplom-Psychologe, öffentlich beeidigter und bestellter Sachverständiger für forensische Psychologie

Uwe Schönfeld
Richter am Oberlandesgericht  Familiensenat
 Eltern
bleiben
Eltern
Hilfen für Kinder bei Trennung und Scheidung

Herausgegeben von der
Deutschen Arbeitsgemeinschaft für
Jugend und Eheberatung e.V. (DAJEB)
Neumarkter Straße 84 c, 81673 München

Im Auftrag des
BUNDESMINISTERIUM
für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend